Ist die Zukunft von Social Media dezentralisiert?
May 06, 2022 Henry Wyndham lesezeit 3 MIN

In Zeiten, in denen Milliardär Elon Musk einfach so ein Social-Media-Netzwerk kaufen kann, wird Decentralized Social relevanter denn je. Apps wie Minds und Karma fordern nun die stark zentralisierte Social Media Industrie heraus. Decentralized Social (DeSo) gibt Nutzern volle Transparenz über ihre Daten, beseitigt Zensur und ermöglicht es Nutzern, ihre eigenen Inhalte über die Blockchain zu monetarisieren.
Was sind dezentralisierte soziale Medien?
In der Praxis ist DeSo jede Social-Media-Plattform, die keine feste Führung hat, die an den Planungs- und Entscheidungsprozessen innerhalb der Organisation beteiligt ist. Auf diese Weise wird vermieden, dass die zugrunde liegende Software dieser Plattformen bei einem Ausfall an einem einzelnen Punkt, das gesamte System oder Netzwerk lahmlegen.
Die neu entstehenden dezentralen Apps für soziale Medien (dApps) nutzen die Blockchain-Technologie, um die Bedenken der Nutzer aus dem Weg zu räumen und gleichzeitig um innovative Möglichkeiten für die Interaktion mit anderen und deren Inhalten zu schaffen. Hier sind drei dApps, bei denen die Nutzer an erster Stelle stehen – und sorry Elon, sie sind nicht zu verkaufen.
1. Karma – Unter dem Slogan „Social Media for good“ wurde Karma auf der öffentlichen EOS-Blockchain entwickelt, die Nutzer dazu bewegt, coole und positive Inhalte zu teilen. Benutzer können einen Token namens Karma verdienen, wenn ihr Inhalt geliked wird, und mehr Karma verdienen, wenn sie staken (engl. Einsatz von Coins um neue Blöcke hinzuzufügen). Diese dApp wird nur im Google Play Store angeboten; derzeit gibt es keine iOS-Version für Apple-Nutzer.
2. Minds – Der Code dieser Plattform ist Open Source und kostenlos, was den Nutzer*innen volle Transparenz bietet. Nutzer können Mind-Kryptotoken verdienen, ein ERC-20 Utility-Token, der auf der Ethereum-Blockchain ausgegeben wird und durch die Interaktion mit dem Content anderer Nutzer verdient wird.
3. LBRY – Dies ist eine öffentliche Proof-of-Work-Blockchain mit einem Protokoll, das unbeschränkten Zugang bietet und zensurresistent ist. Das Design wurde von der Bitcoin-Blockchain inspiriert und dann stark modifiziert. Die Nutzer können Inhalte veröffentlichen, hosten, herunterladen und dafür bezahlen.
Was alle drei Plattformen gemeinsam haben, ist, dass sie Privatsphäre und Freiheit bieten und den Nutzern erlauben, von ihren eigenen Inhalten zu profitieren – im Gegensatz zu zentralisierten sozialen Medien (CeSo), die die Daten ihrer Nutzer an Dritte verkaufen. Die Zahl der Nutzer auf jeder dieser Plattformen steigt von Monat zu Monat an. Die Nachfrage nach DeSo ist aufgrund von sehr kostspieligen Datenschutzverletzungen bei großen Unternehmen, die mit Social Media Daten handeln, gestiegen.
Bedarf an DeSo Media
Bei großen Social-Data-Unternehmen gab es Datenschutzverletzungen, die schätzungsweise Milliarden von Nutzern betreffen, deren Daten gestohlen wurden. Obwohl die Häufigkeit von Datenangriffen zugenommen hat, werden sie dank einer schnelleren Echtzeitüberwachung und erstklassiger Sicherheitsvorkehrungen in sehr hohem Maße unterbunden. Das Dilemma, das in den meisten großen CeSo-Unternehmen mit strukturierten Daten besteht, heißt SPOF.
Ein SPOF – Single Point of Failure – ist ein Punkt in einer Software oder einem Computersystem, der bei einem Ausfall zum Absturz des gesamten Systems oder Netzwerks führt. CeSo-Unternehmen sammeln Daten von Nutzern, die ihre Software verwenden, und speichern große Mengen dieser Daten auf ihren internen Servern unter Verschluss. Interne Server sind dafür bekannt, dass sie aufgrund ihrer Beschaffenheit anfällig für solche SPOFs sind. Große Unternehmen haben Hunderte bis Tausende von einzelnen Datenservern, die gemeinsam wie ein einziger Server agieren. Dies macht sie zu einem leichten Ziel für Hacker, die ihren Lebensunterhalt mit dem Diebstahl von Daten verdienen.
DeSo löst das große Problem
In dem Moment, in dem ein neuer Nutzer online geht, eine CeSo-App herunterlädt und mit dieser App interagiert, beginnt er, eine digitale Version von sich selbst anzulegen, die dann einer zentralisierten Plattform gehört. Diese digitalen Versionen werden auf firmeneigenen Servern gespeichert, besser bekannt als Dateiserver, welche prinzipiell als ideale Angriffsziele für Hacker gelten.
DeSo wahrt nicht nur die Privatsphäre und die Freiheit vor Zensur durch eine Behörde oder Firma, sondern bietet auch ein verteiltes Dateisystem, das es einem Hacker viel schwerer macht, ein Netzwerk zu zerstören. Die Netzwerke beruhen auf Nodes (engl. Knoten), die ein Benutzer einrichten und so dem Netzwerk beitreten kann. Kein einzelner Knoten enthält alle Daten, sondern jeder Knoten enthält einen Teil des Puzzles. Fällt ein Knoten aus, ist das restliche Netzwerk noch in Betrieb.
Diese Plattformen integrieren auch Zahlungssysteme in die Apps, die es den Nutzern ermöglicht, durch die Interaktion mit den Inhalten ihrer Follower oder durch den Kauf dieser Inhalte Geld zu verdienen.
LBRY wird es den Nutzern ermöglichen, eine breite Palette von Inhalten wie Bücher, Musik und Videos ohne jegliche Zensur zu veröffentlichen. Die Nutzer der Plattform können für ihre Inhalte von anderen Nutzern mit LBRY-Credits bezahlt werden. Die Richtlinien der Plattform erlauben die Veröffentlichung beliebiger Inhalte, solange sie nicht gegen die Nutzungsbedingungen und die Inhaltspolitik verstoßen. Für jeden Inhalt, der von anstößigen Nutzern unrechtmäßig veröffentlicht wird, gibt es die einfache Möglichkeit, eine Beschwerde nach dem Digital Millennium Copyright Act (DMCA) einzureichen. Eine kurze Google-Suche zeigt prominente Youtuber, die ständig damit kämpfen, dass ihre Inhalte entfernt werden, ohne dass es einen Grund für solche disziplinarischen Maßnahmen gibt.
Risiko und Herausforderungen für die Zukunft
Die Risiken von DeSo sind gering, aber es gibt einige große Bedenken in Bezug auf geistiges Eigentum. Die meisten CeSo tracken die Beiträge, sobald sie auf die Plattform gestellt werden, normalerweise in Form von Programmen, die im Hintergrund laufen und den Beitrag flaggen (engl. markieren) und infolge reviewen. Einfach ausgedrückt: Alle Audio- oder Videomedien, die urheber- oder markenrechtlich geschützt sind, werden von der Plattform genommen, sobald sie entdeckt werden, normalerweise innerhalb von 24 Stunden. Alle digitalen Inhalte wie z. B. JPEGs, die gegen die Nutzungsbedingungen oder Inhaltsrichtlinie verstoßen, werden entfernt, sobald sie gemeldet werden.
Die größte Herausforderung wird darin bestehen, die Nutzer dazu zu bringen, den Wechsel von CeSo zu DeSo zu wagen. Ein Teil dieser Herausforderung wird darin bestehen, die Nutzer davon zu überzeugen, die Bequemlichkeit der Verknüpfung ihrer Konten über die IDs ihrer sozialen Anwendungen aufzugeben. Es ist die Geschichte von David und Goliath, DeSo-Medien gegen CeSo-Medien, und David wartet geduldig darauf, dass Goliath vom Berg herunterkommt, um den Kampf aufzunehmen.
Warum Nutzer dezentralisierte soziale Medien brauchen
Eine weitere Sicherheitsvorkehrung, die DeSo-Medien bieten, besteht darin, dass man seine eigenen persönlichen Daten auf verteilten Knotenpunkten speichert. Wenn ein Nutzer ein Haupt-Google-Konto hat und seine sozialen Konten, z. B. Twitter, über sein Google-Konto verknüpft, dann verlässt sich der Nutzer darauf, dass Google niemals abstürzt, oder er wird von Twitter ausgesperrt! Wenn jemand seinen beruflichen Alltag über Google abwickelt, besteht die Möglichkeit, dass Google abstürzt und den gesamten Zugang zu den verbundenen Konten mitreißt. Ist das wahrscheinlich? Nein. Aber ist es möglich? Auf jeden Fall!
Personalisierte Anzeigen stammen direkt von Drittanbietern, die ein Social Media Unternehmen für seine Nutzerdaten bezahlt haben und die Anzeigen so zugeschnitten haben, dass sie einen bestimmten Aufruf zum Handeln enthalten. Diese Anzeigen werden per E-Mail, SMS und/oder Telefonanrufe zugestellt, bei denen lästige Sprachnachrichten hinterlassen werden, die später gelöscht werden – aber natürlich erst, nachdem du dein Telefon überprüft hast. Diese Anzeigen fühlen sich eher wie Angriffe an, die 24/7/365 andauern. DeSo wird diese gezielte Werbung zumindest vorläufig stoppen.
Ist dies das Ende für zentralisierte soziale Medien?
Das Geschäftsmodell von CeSo-Medien gibt es seit fast 20 Jahren. Wir erwarten nicht, dass es in absehbarer Zeit auslaufen wird! Twitter hat an seiner eigenen dezentralen sozialen Plattform namens Bluesky gearbeitet. Es gibt nicht viele Informationen darüber, was Bluesky von seinem zentralisierten Gegenstück Twitter unterscheidet. Es wirft jedoch die Frage auf: Werden andere zentralisierte Plattformen in die Fußstapfen von Twitter treten? Diese Unternehmen haben am meisten zu verlieren, dessen sind sie sich sicher bewusst. Diejenigen, die den Mob kontrollieren, haben die Macht, und diejenigen, die die Macht haben, machen die Regeln.
Ist DeSo die Zukunft der sozialen Medien?
Die Zukunft ist immer ungewiss. Sie ist ständig im Wandel und lässt sich kaum vorhersagen. Doch mit der wachsenden Unruhe im Internet muss jetzt mehr denn je eingelenkt und für eine Entspannung gesorgt werden. Ähnlich wie zwei tektonische Platten, die vor einem Erdbeben mit enormer Kraft aneinander reiben, ist der Wandel gewiss. Nach dem kommenden Beben werden die Nutzer die Wahl haben, das Alte wieder aufzubauen oder etwas Neues zu schaffen. Nur die Zeit wird es zeigen.