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Cryptocurrency

Die 1-Billionen-Dollar-Implosion: Lehren aus Terra Luna, dem größten Crash in Krypto

May 16, 2022 Marcell Nimführ Marilyn Wilkinson lesezeit 9 MIN

Terra, eines der vielversprechendsten, am weitesten verbreiteten und am meisten geliebten Krypto-Projekte, wurde in wenigen Tagen nahezu zerstört. Es gibt Hinweise darauf, dass eine Schwachstelle in Terras Tokenwirtschaft ausgenutzt wurde, um Bitcoin anzugreifen, mit dem einzigen Ziel, eine Milliarden-Dollar-Wette gegen die Mutter aller Kryptowährungen zu gewinnen. Unchained. Das Blockpit Magazine untersucht, was im Mai 2022 geschah und was man daraus lernen kann. 

„Die Tatsache, dass UST seine Bindung an den Dollar gebrochen hat und dass LUNA von einem Allzeithoch von 119 Dollar auf seinen aktuellen Preis von 0,09 Dollar gefallen ist, ist ein großes, großes Ding. Das hat einen bereits wackeligen Markt ins Wanken gebracht. Und wenn Sie sich überhaupt für Kryptowährungen interessieren, sollten Sie verstehen, was hier passiert ist.“

John Wu, Ava Labs

„Kwon ist ein visionäres Genie, aber seine Hybris hat Terra getötet.“

Recovering TradFi Chad in seinem Newsletter über den Terra-Gründer Do Kwon

Das Innenleben von Stable Coins

Um zu verstehen, wie es zu der Billionen-Dollar-Implosion kommen konnte, muss man die Mechanismen von Stable Coins wie UST von Terra analysieren. Wer algorithmische von abgesicherte Stable Coins zu unterscheiden vermag, kann zum nächsten Abschnitt übergehen und sich in das finanzielle Blutbad stürzen. 

Betrachtet man die Welt auf eine vereinfachte, schwarz-weiße, bipolare Art, so lässt Geld zwei Aktionen zu: Es kann ausgegeben und es kann verdient werden. Etwas professioneller ausgedrückt: Geld wird für Zahlungen oder für Investitionen verwendet. Beides wird in einer modernen kapitalistischen Wirtschaft benötigt, was deutlich wird, wenn man sich ansieht, wie sich der Wert bei jeder Verwendungsart verändert. 

Geld ist nicht stabil

Für den Kauf von Lebensmitteln, die Zahlung von Miete oder Gehältern wird Geld benötigt, das im Vergleich zu den bezahlten Gütern relativ stabil ist. Es irritiert nicht nur die Verbraucher*innen, wenn eine Flasche Almdudler heute 1 Euro, morgen 37 Cent und übermorgen 2,59 Euro kostet – es erschwert auch die Planung. Sehr schlecht für eine Volkswirtschaft. 

Investitionsgüter hingegen leben von einer schwankenden Bewertung, sonst würde sie niemand kaufen. Kryptoanlagen sind attraktiv, weil sie eine hohe Volatilität haben, die hohe Renditen verspricht (gepaart mit einem proportional hohen Risiko). 

Geld wird von einer Emittentin – einer Nationalbank in Fiat oder einem Projekt in Krypto – eingeführt und dann an den Markt abgegeben. Die Summe aller Marktteilnehmer entscheidet über den Wert des Geldes. Wenn alle Vermieter*innen in unserem Land der Meinung sind, dass die Miete um 5 % steigen sollte, ist unser Geld plötzlich 5 % weniger wert. 

Die Emittentin hat nur begrenzt Kontrolle. Die Zentralbank kann nicht entscheiden, dass mit einer Währungseinheit immer die gleichen Waren gekauft werden können, das tun die Märkte. Innerhalb des Landes kann die Emittentin den Wert des Geldes steuern, indem sie entweder mehr Geld druckt, wenn mehr benötigt wird (was den Wert des Geldes verringert), oder indem sie Geld verbrennt, was das Gegenteil bewirkt. Da sich der Markt immer schneller bewegt als die Zentralbank, schwankt der Wert des Geldes immer. Wenn die Wirtschaft gesund ist und die Zentralbank gut steuert, merken die Verbraucher*innen die Schwankungen kaum. 

Die Erfindung der Krypto-Stable Coins

In den ersten Jahren der Kryptowirtschaft wurden nur Vermögenswerte angeboten, die als Anlage dienten. Bitcoin und Ether sind darunter die bekanntesten. Sie waren gut für Spekulationen, aber schlecht für Zahlungen, es sei es denn, man möchte bei jeder Kaffee-Bestellung Lotto spielen. 

In Anlehnung an die traditionelle Wirtschaft wurden 2016 die ersten großen Stable Coins eingeführt (darunter die derzeit größte, Tether). 

Diese frühen Stable Coins waren an eine Fiat-Währung gekoppelt. Ein Tether (oder USDT) ist einen US Dollar wert. Das Gleiche gilt für den (nicht an Fiat genundenen) Stable Coin von Terra (UST) oder den von Binance (BUSD). Menschen nutzen Stablecoins, um Zahlungen zu leisten oder Geld zwischen den Investitionen zu parken. Stablecoins sind darüberhinaus für die meisten DeFi-Anwendungen unerlässlich.

Sie können jedoch nicht völlig stabil sein, da der Markt den Preis festlegt. Genau wie bei Fiat-Währungen muss die Emittentin Angebot und Nachfrage ausgleichen, um sie einigermaßen stabil zu halten. Es wäre präziser, sie als Coins mit geringer Volatilität zu bezeichnen, aber das hört sich nicht so gut an.

Der Gründer von TerraLabs, Do Kwon twitterte den obigen Screenshot. Er zeigt die zehn größten Stablecoins, die alle zwischen $0,94 und $0,99 schwanken, wobei der UST von Terra einen Wert von $1,00 erreicht hat – ein seltenes Ereignis mit ausschließlich symbolischen Wert. Jeder Stablecoin-Emittent muss aktiv dafür sorgen, dass der coin so oft wie möglich nahe an $1 liegt. 

Der größte Stablecoin, Tether, tut dies mit einem Fiat-Versprechen. Der Emittent sagt, dass für jeden verkauften USDT  einen Fiat-Dollar auf ein reguläres Bankkonto einzahlt (das ist eine Vereinfachung, Tether verwendet mehrere Vermögenswertklassen als Reserven). Dieser Stablecoin ist an das Fiat-Konto gekoppelt. Damit sollte gewährleistet sein, dass ein USDT-Besitzer den Token jederzeit gegen einen Fiat-Dollar wieder eintauschen kann. Der Emittent hält die Volatilität niedrig, indem er neue USDT prägt, wenn er Geld erhält, und Tether verbrennt, wenn er es zurückkauft. 

Das klingt logisch und so gut, dass neben Tether kein anderer Stable Coin mehr nötig ist, oder? Nicht ganz, denn Tether ist mit zwei Vorbehalten behaftet. Wenn der Emittent 100 Milliarden USDT ausgibt, muss er denselben Betrag auf ein Bankkonto einzahlen. Das ist Geld, das nicht oder nur zu sehr geringen Renditen arbeitet. Man könnte auch das Argument bringen, dass es den Zweck einer rein virtuellen Kryptowährung zunichte macht, wenn man sie an die Fiat-Währung bindet. 

Das zweite Problem ist das Vertrauen. Die Emittenten von Tether, die von der Kryptobörse Bitfinex kontrolliert werden, lassen keine öffentliche Einsicht in ihre Bankkonten zu. Haben sie die 76 Milliarden Dollar (Mai 2022) in Reserve? Oder zumindest einen Bruchteil? Oder vielleicht gar nichts? Die Öffentlichkeit weiß es nicht und Betrugsvorwürfe machen seit Jahren im Internet die Runde. 

Die Schulter von Investor Mike Novogratz. Es ist nicht nur dieser Tweet, der schlecht gealtert ist. 

TerraUSD – Stable Coin mit allem, nur ohne Dollar

Terra nennt sich selbst ein DeFi Ökosystem, das mit zwei Coins arbeitet. Einer ist TerraUSD (UST) – der Stablecoin. Der zweite ist Terra (LUNA), der als Governance- und Utility-Token bezeichnet wird. Der Besitz des zweiten, volatilen Vermögenswerts ermöglicht die Kontrolle über das Ökosystem. Seine Volatilität macht ihn auch zu einem guten Investment-Token, der den Wert repräsentiert, den die Krypto-Community dem Ökosystem beimisst.

Wenn ein Asset an einen anderen gekoppelt ist (wie Tether an den USD), muss er einen ähnlichen Wert als Reserve vorhalten. TerraLabs wollte oder konnte jedoch keine teuren Fiat-Dollars einspeichern. Sie folgten damit dem Beispiel praktisch aller Zentralbanken der Welt, die keine gleichwertige Menge an Gold als Reserve für ihre eigene Währung halten. TerraLabs erstellte einen algorithmischen Stablecoin. Der Algorithmus prüft ständig die Nachfrage nach dem Stablecoin. Wenn die Nachfrage steigt, werden mehr UST geschaffen, wenn sie fällt, werden UST verbrannt. Dadurch sollte ein Gleichgewicht von 1 UST = 1 Fiat-USD aufrechterhalten werden. 

Jedes Mal, wenn ein neuer UST erzeugt wird, wird LUNA im Wert von einem Dollar verbrannt und umgekehrt. Die Reserve für UST ist LUNA. Wenn der UST-Preis höher als $1 ist, verkaufen Arbitrage-Trader so lange, bis der Preis fällt. Ist der UST-Preis niedriger als $1, kaufen die Arbitrageure sie mit einem leichten Abschlag und tauschten sie gegen LUNA. Durch dieses ständige Kaufen und Verkaufen wird der Preis um die Ein-Dollar-Marke herum gehalten.

Dies ist ein ziemlich cleveres System, da es eine Währung mit geringer Volatilität ohne die teure Papiergeldreserve ermöglicht. Die Techniker von TerraLabs gingen sogar noch einen Schritt weiter: Steigende Nachfrage nach dem Stablecoin führt dazu, dass der Governance-Token LUNA verbrannt wird. Je weniger LUNA es gibt, desto knapper und damit wertvoller werden die verbleibenden Token. 

Dieser Mechanismus schafft eine positive Rückkopplungsschleife, solange die Wirtschaft wächst: Mehr Nachfrage nach den Stablecoins macht die Reserve wertvoller. Eine wertvollere Reserve verleitet die Menschen dazu, mehr zu akkumulieren oder auszugeben, was wiederum mehr Nachfrage nach Stablecoins erzeugt. 

Diese Spirale funktionierte wie geschmiert. Im März 2021 wurden in Summe eine Milliarde UST geprägt, im Dezember waren es bereits zehn Milliarden. Der Höhepunkt wurde Anfang Mai 2022 mit 18 Milliarden UST erreicht. Der Preis von LUNA bewegte sich in eine ähnliche Richtung: $8im März 2021 und $100 im Dezember. Der Abschwung auf dem Kryptomarkt ließ den Wert von LUNA jedoch im Mai 2022 auf etwa $80 fallen. Genau zu diesem Zeitpunkt hatte LUNA eine Marktkapitalisierung von 30 Milliarden Dollar. 

Dieses Wachstum könnte ewig so weitergehen und es gäbe nur glückliche Gewinner*innen. Allerdings hält kein Bullenmarkt ewig an.  „Es ist wichtig, die Abwärtsseite zu schützen“, schreibt John Wu in seinem Post.  „Dazu muß man den Leuten einen Grund zu geben, $UST zu halten, oder eine Art von Nutzen zu bieten. Stablecoins benötigen Utility™, um die Nachfrage aufrechtzuerhalten und ihre Bindung zu verteidigen.“ 

Da 90 % aller UST in der App Anchor gebunden waren, hatte Terra diesen Nutzen. Anchor ist ein Sparplan, der jährlich fast 20 % Zinsen zahlt. Diese Rendite ist 20 % höher als die, die Menschen derzeit auf jedem europäischen Fiat-Sparkonto erhalten. Wer würde mit einem Stablecoin, der keine Volatilität aufweist, nicht auf so ein Sparkonto einzahlen? Niemand. Was kann da schon schiefgehen? 

Wie sich herausstellt, alles. Der Meltdown

Es ist der 9. Mai, 14 Uhr MEZ. Plötzlich fällt der Preis für den bis dahin stabile Coin UST. In den nächsten fünf Stunden durchbricht der Kurs – bisher auf 0,94 $ – eine psychologische Marke und fällt auf 0,93 $. Millionen Trader*innen sind noch nicht beunruhigt. Dann beginnt der Preis jedoch weiter zu sinken.  

Manchmal können Diagramme eine Geschichte erzählen. Gegen Mitternacht fällt der Preis von UST innerhalb von ein oder zwei Minuten auf 88 Cent. Irgendjemand, vermutlich TerraLabs selbst, wehrt sich, indem sie LUNA und Bitcoin verkaufen und UST kaufen. Aber das hält die Talfahrt nicht auf. Um etwa 1:40 Uhr fällt der Stablecoin auf beispiellose 66 Cent – ein Todesurteil für einen Vermögenswert, der nur aufgrund seiner Stabilität existiert. 

Die schwarzen Balken am unteren Rand der Charts zeigen das Handelsvolumen an. Es steigt allmählich an. In den 24 Stunden vor 19 Uhr haben die Nutzer UST im Wert von 1,2 Mrd. Dollar gehandelt. Eine weitere Milliarde wurde bis 2 Uhr morgens verkauft, und eine weitere Milliarde wurde zur Stabilisierung des Preises in den frühen Morgenstunden eingesetzt. Do Kwon erklärt, dass Terra 0,75 Milliarden Dollar in LUNA und 0,75 Dollar in Bitcoin ausgeben wird, um UST zu stabilisieren.

Terras Versuch, den inzwischen sehr instabilen Coin zu stabilisieren, zahlt sich aus. Im Laufe des Tages erreicht UST 88 Cent. Immer noch schlecht, aber da könnte was gehen. Terra-Fans und Investoren jubeln. Es gab einen Angriff von ein paar nebulösen Milliardären, heißt es auf Twitter und reddit, aber das System hat gehalten. 

„Setze mehr Kapital ein – Ruhe bewahren, Jungs“

Do Kwon, Gründer von Terra auf Twitter, 9. Mai, 20:36 CET

Dieses Comeback ist jedoch nur eine kurze Atempause. Das Handelsvolumen steigt stündlich und erreicht am 10. Mai fünf Milliarden Dollar (für einen Zeitraum von 24 Stunden). Jetzt kämpfen zwei Parteien mit aller Macht – die ruchlosen Angreifer, um UST zu vernichten, TerraLabs, um ihn zu retten. 

Wie reagieren die Verteidiger? TerraLabs verkauft seine eigenen LUNA- und Bitcoin-Bestände, um UST zurückzukaufen. Der Verkauf von LUNA senkt dessen Preis und setzt das gesamte Projekt unter Druck. Der Verkauf von Bitcoin setzt eine weitere Delle in einen bereits fallenden Gesamtmarkt.

„Wir stehen kurz vor der Bekanntgabe eines Sanierungsplans für $UST. Hang tight.“ 

Do Kwon, Gründer von Terra auf Twitter, 10. Mai, 5:32pm CET

„Mit anderen Worten, UST wird stabilisiert durch: […] Die gigantische Schwerkraftquelle, die durch die Größe von Do Kwons Nüssen entsteht.“

Jon Wu, Ava Labs

Terra-Gründer Do Kwon hat einen Rettungsplan ausgearbeitet. Laut dem Investor „Route 2FI“ überzeugt dieser jedoch keinen der großen Marktmacher, Terra zu helfen. „Es gibt im Grunde keinen Plan“, schreibt Route 2FI.

Am Morgen des 11. Januar ist der Kampf verloren, als die Kleinanleger*innen ihre Aktien abstoßen und versuchen, ihre Verluste zu begrenzen. Die Angst ist am Markt beinahe spürbar, LUNA fällt auf Cents und darunter. Händler*innen wechseln von anderen Kryptowährungen zu Bitcoin und von Bitcoin zurück zu Fiat. Eine Woche später hat sich der Rauch verzogen: der Kryptomarkt hat gerade eine Billion Dollar verloren. Was für ein Zusammenbruch.

Einmal zurückspulen bitte

Du hast den Trick, der vor deinen eigenen Augen abgezogen wurde, nicht gesehen? Die meisten anderen Kryptonier auch nicht. Komm näher, schau genau hin, spulen wir zurück und lassen es nochmal in Zeitlupe ablaufen: Eine Mini-Implosion ereignete sich auf Terra bereits im Januar 2022. Der Zusammenbruch einer App auf Terra zwang TerraLabs zu einem teuren und riskanten Stabilisierungsrückkauf. Das Glück war auf der Seite von Terra, das Projekt hatte es überlebt. Doch dieses Ereignis muss die Terraner aufgeschreckt haben. Denn TerraLabs verkauft in den nächsten Wochen LUNA im Wert von 1 Milliarde Dollar und kauft dafür Bitcoin, um ihr Risiko zu diversifizieren. 

Man könnte spekulieren, dass TerraLabs wusste, dass ihre Tokenomics eine Schwachstelle hatten. Sie wussten allerdings offensichtlich nicht, welches Schicksal sie erwartete. Ein Tech-Beobachter namens 4484 postete am 10. Mai, was seiner Meinung nach passiert war: 

Der nebulöse Angreifer habe über mehrere Wochen UST im Wert von 1 Milliarde Dollar angehäuft. Darüber hinaus liehen sie sich 3 Milliarden Dollar in Bitcoin – von Gemini, wie der Investor Route 2FI behauptet und Gemini bestreitet – und hielten irgendwann eine wirklich große Menge an Kryptogeld. Dann erzählten sie der Welt, wie fehlerhaft Terra sei (wobei sie nicht so falsch lagen). 

Schließlich warfen sie die UST zu einem Zeitpunkt auf den Markt, als Terra eine geplante Softwareänderung mit geringer Liquidität (und damit geringerer Widerstandsfähigkeit) hatte, und drückten den Wert weit unter die 1-Dollar-Grenze. Der eingebaute Mechanismus zur Stabilisierung der Münze war überwältigt. 

Terra opferte einen Großteil seines LUNA-Wertes, um den UST-Preis in den kommenden Stunden zu stabilisieren. Dann verkauften die Angreifer den gesamten Bitcoin-Berg, was dessen Preis senkte und damit Terras BTC-Reserven entwertete. Die Angreifer spekulierten darauf, dass eine Massenpanik ausbrechen würde, die den Markt zum Schmelzen bringen würde. Sie lagen mit ihrer Vorhersage richtig. Kabumm! und der Rest ist Geschichte. 

Das Warum und das Wer

Das „Warum“ hat eine logische Antwort als Möglichkeit, wie der Technologie-Experte 4484 schreibt. Wenn Trader*innen Vermögenswerte kaufen, wetten sie darauf, dass die Preise steigen werden. Sie können aber auch auf fallende Kurse wetten, wenn sie eine zweite Partei finden, die bereit ist, die Wette anzunehmen. Trotz des sich abkühlenden Marktes fanden die Angreifer genügend Anleger*innen, die darauf wetteten, dass der Bitcoin-Kurs nicht fallen würde, da es keine Ereignisse auf dem Markt gab, die auf einen Crash hindeuteten. 

Niemand wußte jedoch, gerade ein gezielter Angriff vorbereitet wurde, indem die Angreifer eine Schwäche bei einem der größten Coins (Terra) ausnutzen und den massiven Verkauf von Bitcoin durch TerraLabs zur Stabilisierung von UST sowie den Fluchtinstinkt der Trader-Herde vorhersagen würden. 

Wenn es sich tatsächlich so zugetragen hat, dann war Terra nichts weiter als ein Sündenbock in einem intriganten Plan, um ein paar hundert Millionen Dollar bei der Wette gegen Bitcoin einzusacken. 

Die Frage nach dem „Wer“ ist weitaus schwieriger zu beantworten. Es gibt Anschuldigungen, dass die Hedgefonds Blackrock und Citadel für diesen vorsätzlichen Akt der Zerstörung verantwortlich waren. Blackrock bestreitet, etwas damit zu tun zu haben. Beobachter*innen wiesen darauf hin, dass die Verkaufsaufträge im Zusammenhang mit der Implosion auf die Fonds zurückgeführt werden könnten. Zum Zeitpunkt dieses Artikels liegt die Wahrheit jedoch noch immer im Nebel des (Handels-)Krieges verborgen. 

„Eine andere, plausiblere Erklärung dreht sich um die zuvor identifizierte potenzielle Achillesferse des Systems: das Anchor-Lending-Protokoll, das eine extrem hohe jährliche Rendite von 20 % auf Einlagen bietet“, schreibt Ruben Merre, CEO von Engrave. „Es wird argumentiert, dass die Nutzer eher wegen der unhaltbaren (?) Renditen als wegen der tatsächlichen Stabilität des Coins in Scharen kamen. Dies macht Anchor zu einer tickenden Zeitbombe, wenn die Renditen und das Geld versiegen und damit auch die willigen Besitzer von UST.“

Der Preis des Erfahrung

„Ich habe über 450.000 USD verloren, ich kann die Bank nicht bezahlen. Ich werde bald meine Wohnung verlieren. Ich werde obdachlos werden. Selbstmord ist der einzige Ausweg für mich.“

Anonymous auf Reddit

Der Absturz eines der wohl vielversprechendsten DeFi-Projekte ist schmerzhaft für jene, die in das Projekt investiert haben, und verstärkt die Angst vor einem Krypto-Bärenmarkt. Wir haben uns mit Stefan Schürz, Head of Research bei Blockpit, zusammengesetzt, um fünf Erkenntnisse für zukünftiges Traden zu gewinnen.

  1. Investiere nicht nur wegen des FOMO

Es gab einen großen Hype um Terra. Das Projekt schien praktisch unbesiegbar, und es war sogar von Terra-Kreditkarten die Rede. Investiere nicht, nur weil es das nächste große Ding zu sein scheint oder weil viele Leute darüber sprechen. Investiere in Projekte, an das du glaubst, und nimm dir die Zeit, „DYOR“ (Do Your Own Research) – eigene Recherche zu betreiben. Wir wissen, dass dies extrem schwierig ist und nicht alle Misserfolge verhindert werden können. Aber es kann vielleicht genug verhindern. 

  1. Achte auf makroökonomische Trends 

Was in der Welt jenseits der Krypto-Blase geschieht, verrät viel darüber, was auf dem Markt zu erwarten ist. Zwischen der Pandemie, des Krieges in der Ukraine, Lieferkettenengpässen und gestiegenen Energiepreisen gibt es Anzeichen für Inflation und eine möglicherweise bevorstehende Rezession. Gegen eine Rezession zu wetten ist ein noch größeres Risiko als während einer Hausse zu investieren.

  1. Vertraue nicht blindlings auf Algorithmen 

Wie das Terra-Projekt zeigt, können Algorithmen Fehler machen. Wenn Du dennoch in algorithmische Coins investieren möchtest, solltest Du prüfen, wie umfassend die Technologie getestet wurde und wie skalierbar sie ist.

  1. Das Risiko liegt in der Zahl

Fast jeder hat sich bei beim Kauf von UST vom Zinssatz von 19,5 % leiten lassen. Eine hohe Rendite ist immer mit einem hohen Risiko verbunden. Es besteht zwar kein direkter Zusammenhang mit der Zahl, aber man kann davon ausgehen, dass man mit 19,5 % Zins auch genauso viel Risiko eingeht, seine Investition zu verlieren. Kannst du dir dieses Risiko leisten? 

  1. Diversifiziere dein Portfolio 

Am stärksten betroffen sind diejenigen, die den Großteil ihrer Krypto-Investitionen in Terra haben. Streue das Risiko, so dass im schlimmsten Fall nicht alles verloren ist. Das heißt nicht, dass du nicht in riskante Projekte investieren kannst, aber wäge die Risiken ab, und setze dein Portfolio nicht ausschließlich aus Risikoanlagen zusammen. Angesichts der Tatsache, dass Kryptowährungen jung und volatil sind, ist alles in diesem Bereich riskant. 

Jacob Canfield, Händler und vielleicht der erste, der die anonyme Reddit-Behauptung über die Beteiligung von Citadel und Blackrock retweetete, fügt über Twitter eine weitere Erkenntnis hinzu: 

„Es ist gut, auf FUD (Fear, Uncertainty, Doubt – Angst, Unsicherheit, Zweifel) zu hören. Analysiere FUD. Vor allem, wenn es sich um Investitionen handelt, die Sie selbst halten. Folgen Sie Accounts, die Ihren Überzeugungen widersprechen, um Sie herauszufordern und Ihnen Unbehagen zu bereiten. So haben Sie alle Seiten, um fundierte Entscheidungen zu treffen.“

Bittere Ironie und ein letzter Ratschlag

„95 % [der Coins] werden sterben, aber es ist auch unterhaltsam, [sie] sterben zu sehen.

Do Kwon, Gründer von Terra in einem Interview am 3. Mai. 

Wer auch immer den Angriff auf Terra durchgeführt hat, könnte mit seiner Wette 815 Millionen Dollar gewonnen haben, wie der Twitter-Analyst Onchain Wizard spekuliert

Im Twitterverse zwitschern jetzt viele Kommentatoren, die immer schon gewußt haben, dass algorithmische Stablecoins nicht funktionieren können, hohe Renditen ein Ponzi seine und dass Terra verwundbar war. Blättert man zurück, wird klar, dass diese Krypto-Kassandras ihre Analysen schon vor Monaten getweetet hatten. Terra’s Schwachstellen war bekannt, wenn man es wissen wollte. Wir waren alle nur geblendet von 19,5 % Jahresrendite. 

Investitionen in Kryptowährungen sind nichts für schwache Nerven. Pass auf dich auf sicher und gehe lieber auf Nummer sicher. 

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