So ist es wirklich, ein Web3-Unternehmen zu gründen
Jul 21, 2022 Marilyn Wilkinson lesezeit 4 MIN
Web3-Gründer überschreiten die Grenzen des Machbaren – was zwar spannend, aber nicht immer ganz einfach ist. Caroline Hughes und ihr Geschäftspartner, Nick Wasmuth, gründeten 2018 Lifetise, um Menschen dabei zu helfen, ihre finanziellen Ziele zu verwirklichen und zu planen, wie zum Beispiel den Kauf eines Eigenheims, da dies für viele Menschen immer schwieriger wird. In einem exklusiven Interview spricht Caroline über den Übergang von einem Web2- zu einem Web3-Unternehmen, den Aufbau von Vertrauen und Zuversicht unter den Krypto-Neugierigen und, wie es ist, eine völlig neue Art von Unternehmen aufzubauen, für die es kein Handbuch gibt.
Das komplette Interview findest du in unserem Podcast, oder lies diesen Artikel, um mehr über Carolines Geschichte zu erfahren.
Caroline begann ihre Karriere als Anwältin für Technologie und arbeitete für den Formel-1-Rennstall von Renault, für große Banken und Technologie-Konzerne. Im Jahr 2018 gründeten sie und ihr Co-Founder Lifetise und nahmen ein Jahr später am Accenture Accelerator Programm teil. Es war jedoch nicht immer einfach, ihre große Web3-Vision zu vermitteln, während die meisten Menschen noch in einer Web2-Welt leben.
Die Wahrheit über den Aufbau eines Web3-Unternehmens
„Als wir im Jahr 2018 loslegten, sagten wir: ‚Das ist es, was wir aufbauen‘. Und die Leute sagten: ‚Das klingt verrückt, wir haben keine Ahnung, worüber ihr redet'“, erinnert sich Caroline. „Wir waren also sehr geduldig und haben gewartet, bis die Welt bereit war.“
Caroline betont, dass das Web3 ein außerordentlich schnelles Umfeld ist, in dem man ein Unternehmen aufbauen kann. „Web3 ist wie ein Hundejahr“, sagt sie. „Im Web3 beschleunigt man. Man denkt, dass man im Web2 schon schnell vorankommt, aber dann kommt man ins Web3, und es ist wie Lichtgeschwindigkeit. Man muss erst einmal durchatmen, weil sich alles so schnell verändert und so viel passiert.“
Obwohl es eine Herausforderung darstellt, liebt Caroline die Arbeit im Web3-Bereich und die Tatsache, dass sie an der Spitze der Technologie steht. „Die Energie ist gewaltig. Die Energie ist vergleichbar mit der vor 20-30 Jahren, als viele neue Dinge rund um das frühe Internet und dann das Handy aufkamen. Es fühlt sich an wie dieselbe Energie, dasselbe Gefühl von Potenzial, dasselbe Gefühl von experimentierfreudigen Menschen, die gerne bauen. Das ist wirklich cool.“
Es gibt kein Handbuch
Caroline unterstreicht, dass die Nutzung neuer Technologien zur Entwicklung neuer Dinge unglaublich aufregend ist, aber auch eine Herausforderung darstellen kann, weil noch niemand vor einem da war, der einem sagen könnte, was zu tun ist.
„Wenn man versucht, etwas Neues zu schaffen, hat man kein Handbuch in der bisherigen Art und Weise. Man muss also seine eigenen Regelwerke kreieren. Und das tun wir als Organisation die ganze Zeit“, erklärt sie.
In Anbetracht dieser Herausforderungen betont Caroline, wie wichtig es ist, unterstützende Communities zu finden. „Ich schöpfe viel Energie aus der Gesamtenergie der Umgebung, und dann habe ich immer tolle Gemeinschaften gefunden“, sagt Caroline. „Wenn man in ein neues Gebiet zieht, ist es wirklich wichtig, sich mit Leuten zu umgeben, die schon eine Weile hier sind, und mit solchen, die neben einem etwas aufbauen.“
Caroline weist auch darauf hin, dass das Web3 eine neue Technologie ist, von der niemand erwartet, dass sie perfekt ist. Sie rät außerdem dazu, es einfach auszuprobieren und nicht zu lange im Schatten zu bleiben.
„Web3 ist der nachsichtigste Bereich, was bei jeder aufstrebenden Technologie sehr wichtig ist“, sagt sie. „Wir sehen das auch bei anderen aufkommenden Technologien, wo es viel Raum zum Experimentieren gibt.“
Die Entwicklung von Krypto-Vertrauen
Caroline ist der Ansicht, dass sich Krypto für die Menschen sicherer anfühlen muss, um die Akzeptanz der breiten Masse zu erreichen.
„Seien wir doch mal ganz ehrlich. Der Ruf, den Krypto hat, schreckt viele Menschen ab“, sagt Caroline. „Es handelt sich um eine noch junge Technologie, und vieles von dem, was Aufsehen erregt, ist sowohl positiv aber eben auch negativ.“
Caroline berichtet, dass etwa 25 % der Lifetise-Nutzer „kryptoaffin“ sind, d. h. sie besitzen Kryptowährungs-Assets und beginnen, sich nebenbei mit DeFi zu beschäftigen, während 50-70 % eher „krypto-neugierig“ sind.
Caroline ist überzeugt, dass es den Einstieg in die Web3-Welt erleichtert, wenn man Krypto und DeFi in einen Kontext stellt und zeigt, wie sie den Menschen helfen können, Dinge im echten Leben zu erreichen. Die Web3-Technologie kann für die meisten Menschen anfangs einschüchternd wirken – selbst so etwas wie die Erstellung eines Wallets. Caroline betont: „Die meisten Menschen haben keine Ahnung davon oder haben noch nicht einmal darüber nachgedacht sich ein Wallet zu erstellen, um Kryptowährungen oder NFTs zu kaufen oder zu verkaufen.“
Letztendlich ist es wahrscheinlicher, dass Menschen beginnen werden, Web3-Produkte zu nutzen, wenn sie den Bedarf und den Mehrwert dahinter erkennen. Für den Großteil der Öffentlichkeit ist das Herumspielen mit der Blockchain keine besonders reizvolle Vorstellung. Daher müssen Web3-Unternehmen die vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um Probleme auf eine bessere Weise zu lösen und den NutzerInnen das anzubieten, was Caroline als „echten Nutzen“ bezeichnet.
Nutzung von Web3 zur Lösung realer Probleme
Ein offensichtlicher Blocker für die Akzeptanz von Krypto ist die Tatsache, dass Finanzthemen für viele Menschen langweilig sind und die Technik verwirrend sein kann. Krypto kombiniert Elemente der Technik und der Finanzwelt, was die Web3-Welt zu einer beängstigenden Aussicht für den Durchschnittsbürger macht. Das hat Caroline und ihren Geschäftspartner dazu veranlasst, Lifetise zu entwickeln. Diese Finanzplanungsplattform nutzt Spielifizierungs-Elemente, um Menschen dabei zu helfen, ihr Traumleben zu visualisieren und anschließend herauszufinden, wie sie es sich im echten Leben finanzieren können.
Lifetise berechnet, was du ausgeben und sparen musst, um dein persönliches Ziel zu erreichen. Es zeigt dir alle Schritte auf, die du ergreifen musst, um dein Ziel zu erreichen – egal ob es sich dabei um ein Sparkonto, DeFi oder beides handelt. Laut Caroline geht es bei Lifetise darum, „Finanzdienstleistungen auf eine Art und Weise auf den neuesten Stand zu bringen, die für junge Leute sehr benutzerfreundlich und einfach ist“.
„Wenn du zum Beispiel ein neues Auto kaufen willst, visualisieren wir die Art von Auto, die du kaufen willst, und zeigen dir, welche Fortschritte du auf dem Weg zu deinem Ziel schon gemacht hast. Das ist für die meisten Menschen wirklich sehr motivierend.“, erklärt Caroline.
„Wir helfen den Menschen bei der Bewältigung von Herausforderungen und bei der Suche nach Finanzprodukten und -dienstleistungen, die ihnen dabei helfen, ihr Ziel zu erreichen, sei es eine Hypothek, ein Sparkonto oder ein Kreditmodell. Wir haben das bereits mit Partnern in der Fiat-Welt gemacht. Außerdem arbeiten wir mit verschiedenen Partnern an Hypotheken, Renten, Lebensversicherungen und so weiter.”
Die Schwierigkeit der Millennials, sich ein Eigenheim zu kaufen
Caroline und ihr Unternehmen haben ihren Hauptsitz in London. Dort sind die Hauspreise besonders hoch, und der Einstieg in den Immobilienmarkt scheint für viele unerreichbar – selbst für diejenigen, die Vollzeit arbeiten. Dieses Dilemma kann für frühere Generationen nur schwer zu verstehen sein, weshalb sie oft meinen, Millennials sollten sich einfach zusammenreißen und weniger Avocado-Toast essen.
„Es ist ein echtes Generationenproblem“, sagt Caroline. „Wir haben eine völlig andere Makroökonomie als die Generation vor uns. Es ist die erste Generation, die Studienkredite aufgenommen hat. Es ist die erste Generation, die mit ganz anderen Karrieremöglichkeiten konfrontiert ist.Früher hatte man einen Beruf quasi ein Leben lang. Man wechselte vielleicht ein- oder zweimal das Unternehmen, aber jetzt haben wir so viele neue Möglichkeiten. Aber mit diesen Möglichkeiten geht auch eine enorme Komplexität einher. So kann man in einer Portfoliokarriere mehrere Jobs haben, oder aber man arbeitet im Hauptberuf, hat aber auch ein oder zwei Nebenjobs. Das sind Dinge, die es früher einfach nicht gab.“
„Wenn man sich Faktoren, wie z.B. die Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Dingen wie Hauspreisen ansieht, denke ich, dass sich unser finanzielles Leben als Generation sehr von dem unserer Eltern unterscheidet. Aber das bestehende Finanzsystem ist immer noch sehr stark auf das Babyboomer-Zeitalter abgestimmt. Es spiegelt nicht wirklich unsere wirtschaftliche Realität und die Dinge, auf die wir alle hinarbeiten, wieder“, fährt Caroline fort. „Deshalb haben wir Lifetise entwickelt, um jüngeren Menschen die Möglichkeit zu geben, herauszufinden: ‚Wie kann ich mir das Leben leisten, das ich mir wünsche?'“
TradFi und DeFi
Caroline ist eine Krypto- und DeFi-Enthusiastin, weshalb die Produkt-Roadmap von Lifetise auch Partner aus der DeFi-Welt umfasst.
„Ursprünglich waren wir ein Web2-Unternehmen“, verrät Caroline. „Wir hatten über 40.000 Nutzer, die mit unserer Hilfe ihre Lebensziele definiert und erarbeitet haben, insbesondere den Kauf eines eigenen Hauses, das Kinderkriegen und solche Dinge.
Und jetzt sind wir in die wunderbare Welt von Web3 gezogen worden, weil unsere Nutzer unglaublich krypto-neugierig sind und auch, weil DeFi inzwischen eine gewisse Marktreife erlangt hat. Wir wollen unseren Mitgliedern die Möglichkeit bieten, ihr Leben mit einer Kombination aus TradFi und DeFi zu finanzieren“.
„Jetzt, mit dem Aufkommen von DeFi, haben wir diese ganz andere Finanzwelt und all diese vergleichbaren Finanzprodukte, die den Menschen zur Verfügung stehen, aber die Normalverbraucher nicht verstehen. Sie wissen nicht so recht, wo sie damit anfangen sollen. Aber es gibt sie, und sie stellen eine Alternative zu den traditionellen Finanzprodukten dar, und das ist es, was wir mit unserer Plattform in gewisser Weise übermitteln wollen,“ sagt Caroline. „Wenn du versuchst, auf etwas zu sparen, kannst du dein Geld auf einem Sparkonto deponieren. Oder man investiert, indem man Staking betreibt oder sein Geld in Liquiditätspools steckt und auf diese Weise eine Rendite erzielt.“
Lifetise identifiziert Möglichkeiten sowohl in TradFi als auch in DeFi, um Menschen beim Erreichen ihrer Ziele zu helfen.
Die Zukunft von Web3
Was die Zukunft von Web3 betrifft, so sieht Caroline die Notwendigkeit, die verschiedenen Elemente zusammenzuführen, damit der Raum reifen und den Nutzern mehr Wert bieten kann.
„Die Infrastruktur wurde zuerst gebaut. Wir brauchten die Bahnen. Das ist großartig“, sagt Caroline. „Jetzt haben wir die fundamentalen Bahnen, und haben damit begonnen, all die Anwendungen darauf aufzubauen. Das ist einfach fantastisch. Aber wir brauchen Ansätze, um all diese unterschiedlichen Teile aus Verbrauchersicht zusammenzufügen, damit sie die gewünschten Ziele erreichen können.
_ _

Höre dir die vollständige Folge in unserem Podcast an. Caroline redet über die Wahl eines Blockchain-Ökosystems, Polygon, den Wert von DAOs, und, wie sie eine Multi-Chain-Strategie für ihr Unternehmen entwickelt.