Krypto-Onramping ist eines der heißesten Themen, die heute weltweit diskutiert werden. Während Instagram seinen Plan für NFTs vorstellt und Web3-Startups fleißig die Technologie aufbauen, die nötig ist, um Blockchain so allgegenwärtig zu machen wie unsere iPhone-Apps. Aber Onramping ist nicht dasselbe wie Onboarding – und letzteres erfordert Fähigkeiten, mit denen Frauen und nicht-binäre Menschen wohl vertraut sind.
Beim Krypto-Onramping geht es um darum, die Fiat-Euros von jemandem tatsächlich in eine Form von Kryptowährung umzuwandeln, während Onboarding bedeutet, dass man ihnen dabei hilft, kompetente, sachkundige und versierte Nutzer*innen der Technologie zu werden. Für das Onboarding ist ein gewisses Maß an Bildung erforderlich, ähnlich wie bei der Einarbeitung in einen neuen Job oder wenn man jemandem das ABC beibringt. Und auch wenn wir es nicht unbedingt so gewollt haben, sind Menschen, deren Identität nicht die privilegierteste ist (du weißt schon: heterosexuell, weiß, deutschsprachig, gebildet, männlich), wohl besser – oder zumindest geübter – in den Fähigkeiten, die zum Unterrichten nötig sind.
Eine Studie aus dem Jahr 2016, in der die Daten von 55.000 Berufstätigen aus 90 Ländern ausgewertet wurden, ergab, dass Frauen besser in emotionalen und sozialen Kompetenzen wie Coaching, Mentoring, inspirierende Führung, Konfliktmanagement, Organisationsbewusstsein, Anpassungsfähigkeit und Leistungsorientierung sind. Wenn du schon einmal jemandem geholfen hast, ihr erstes DeFi-Wallet zu eröffnen, Krypto zu kaufen, es auf ein anderes Wallet zu übertragen und/oder ihr erstes NFT zu kaufen, hast du vielleicht schon bemerkt, dass die oben genannten Kompetenzen den Fähigkeiten, die man braucht, um jemanden in die Krypto-Welt einzuführen, sehr ähnlich sind.
Wir nennen sie „Soft Skills“. Frauen und nicht-binäre Menschen, mit denen ich während meiner Berichterstattung gesprochen habe, berichten oft, dass sie das Gefühl hatten, dass sie im Laufe ihres Lebens Expertise in diesen Bereichen haben mussten, weil sie ihre eckigen Körper in die runden Löcher der Möglichkeiten passen mussten, die sich ihnen boten.
Natürlich besagt nichts, dass alle Frauen und nicht-binären Menschen von Geburt an empathischer sind – und einige Studien argumentieren, dass dies an sich schon eine schädliche, geschlechtsspezifische Annahme ist.
Aber immer mehr Menschen in der Krypto-Welt argumentieren, dass diese so genannten Soft Skills alles andere als unbedeutend für das Web3-Ethos sind und dass jeder – egal welchen Geschlechts – dafür sorgen sollte, dass diese Werte in die Web3-Kultur einfließen. Fähigkeiten wie Empathie, aktives Zuhören, Geduld und Interpretation sind grundlegend für den Wandel, den Web3-Unternehmen fordern. Und heute bietet uns Web3 mehr als nur eine Chance, es ist eine Revolution – wenn wir die Gelegenheit nur als solche erkennen.
Onboarding von Frauen* ins Web3: Ein mehrgleisiger Ansatz
Laut Annee Park, Mitbegründerin von F3 Ventures, einer Organisation, die Frauen* durch Veranstaltungen, Bildung und Finanzierung an das Web3 heranführt, gibt es drei Säulen, um mehr Frauen* an Krypto heranzuführen.
„Es gibt Bildung, Gemeinschaft und dann – das was wirklich etwas Besonderes ist – Kapitalisierung“, sagt sie.
Fangen wir mit den ersten beiden an: Bildung und Gemeinschaft. Im Web3 gibt es bereits so viele brillante, von Frauen geführte Initiativen, die sich mit den ersten beiden Säulen beschäftigen. Von der einsteigerfreundlichen und fantastischen Krypto-Community BoysClub über den Newsletter von Surge bis hin zu den individuellen YouTuberinnen NIFTY WORLD und Aprilynne Alter – immer mehr Informationen werden durch bodenständige, verständliche und konversationsfördernde Medien vermittelt. Und das brauchen wir.
Eine meiner Lieblingsstellen im BoysClub-Podcast ist das wiederkehrende „Explain This Tweet“, wo die Gäste gebeten werden, in einfacher Sprache zu erklären, was einer ihrer Tweets bedeutet. Das ist wie eine Mischung aus Close reading und finanzieller und technischer Analyse. Das ist hohe Kunst, und dafür bin ich da. Außerdem komme ich mir dann weniger dumm vor.
Aber BoysClub ist nicht die einzige Community, die Menschen rund um Blockchain zusammenbringt. Annee und ihre Mitbegründerin von F3 Ventures, Valerie Song, wollen mit ihrer kommenden Veranstaltung F3STIVAL mehr als 1.000 Frauen* auf besonders benutzerfreundliche Weise an Bord bringen.
„ Diese Veranstaltung wird über 1.000 Frauen* aus der ganzen Welt die Augen für die Idee von Web3 öffnen und sie wirklich vereinfachen, indem wir sie auf eine Weise ansprechen, die sich für sie natürlich anfühlt und wo die Sprache wirklich ankommt. Und [dann geben wir ihnen] die Möglichkeit, [durch] interaktive Workshops Geschichten von anderen Frauen* im Web3 aus allen Phasen ihrer Karriere zu hören“, sagt Annee.
Beim F3STIVAL wird es eine Kombination aus zwei Tracks geben: Der eine ist „What the F*ck Is?“ (Was zum Teufel ist) und der zweite ist „How the F*ck Is?“ (Wie zum Teufel) [Der erste] ist eine Gelegenheit für Frauen, zusammenzukommen und ihre Perspektiven und Geschichten darüber zu teilen, was [Krypto] ist. Und [der zweite] ermöglicht es den Nutzer*innen zum ersten Mal, den Umgang mit Kryptowährungen in der Praxis zu üben – also zu sagen: „Wie zum Teufel richte ich eine Wallet ein?“
Aber neben der Gemeinschaft und der Bildung geht es – natürlich – auch um die Finanzierung.
Könnten DAOs möglicherweise dazu beitragen, mehr Frauen* ins Web3 zu bringen?
Wie sieht die Finanzierung in einer inklusiven, dezentralen Web3-Welt aus? Die aufkommende Organisationsstruktur, die als DAO (Dezentrale Autonome Organisation) bekannt ist, könnte eine einzigartige Gelegenheit bieten, die besonderen Stärken von Frauen* zu nutzen, wenn es um die Investition und Verteilung von Geld geht, argumentieren Annee und Valerie.
„Frauen* investieren auf eine ganz besondere und einzigartige Weise“, sagt Annee.
Frauen* stellen nicht nur Schecks aus – auch wenn das angesichts der Art und Weise, wie wir traditionell aus dem Risikokapitalismus ausgegrenzt wurden, nicht immer unser erster Gedanke ist – wir investieren auch uns selbst, unsere Zeit und unsere Energie.
„Es ist nicht so, dass wir nicht willens oder in der Lage wären, Geld auszugeben, aber wir machen es auf eine andere Art und Weise“, sagt Annee.
Und Valerie stimmt dem zu: „Die Unterstützung von Frauen kann anders aussehen als die herkömmliche Finanzierung durch Risikokapital (VC) oder Angel Investment“, sagt Valerie. „Dieses Finanzinstrument insgesamt – macht das wirklich Sinn?“
Im Web3 kann die Antwort ja oder nein lauten. Oder vielleicht auch beides. Blockchain-Startups sind dafür bekannt, dass sie VC-Gelder annehmen, aber auch Utility-Token prägen und über Initial Coin Offerings (ICOs) und NFTs Kapital aufnehmen. Und lass dich nicht täuschen: Es wird mit Milliarden von VC-Geldern um sich geworfen.
„Krypto ist bereits Mainstream“, sagt Ann Brody, Doktorandin in Montreal und Forscherin beim Metagovernance Project. „Sie ist bereits in allen kapitalistischen Kreisläufen verankert und wird von Leuten von der Wall Street und aus dem traditionellen Finanzwesen genutzt. Das schließt aber nicht unbedingt aus, dass auch Menschen mit anderen Visionen an dieser Technologie teilhaben können.“
Wir dürfen nicht vergessen, dass Krypto Open-Source ist, sagt Ann. „Du kannst also machen, was du willst. Wenn es dir nicht gefällt, kannst du das Projekt abspalten und dein eigenes Ding machen. Das ist es, was ich an dieser Technologie wirklich schön finde. Du bist nicht an eine bestimmte Ideologie gebunden. Du kannst jederzeit einfach dein eigenes Ding machen. Deshalb sind Governance und DAOs so wichtig, weil ich glaube, dass sie der erste Schritt sind, um eine Initiative zu starten. Das nenne ich Basis.“
NFTs für die Community-Bildung
Auch NFTs haben neue Methoden des Crowdfundings entwickelt, die es in einigen Fällen ermöglichen, ein Unternehmen ohne VCs aufzubauen – zumindest in der Anfangsphase. BoysClub zum Beispiel kündigte in einem kürzlich veröffentlichten Podcast einen kommenden NFT-Drop an. Das BoysClub Zaddy NFT wird 0,1 ETH kosten, also zwischen 230 und 300 USD (je nach Wert der ETH), und den Mitgliedern Zugang zu exklusiven Veranstaltungen für Krypto-Neugierige verschaffen.
Es gibt jedoch Hindernisse für den Aufbau, das Wachstum und die Teilnahme an DAOs und NFTs, die nicht übersehen werden dürfen. Damit mehr Frauen* im Web3 erfolgreich sein können, muss es mehr Frauen* geben, die Solidity beherrschen, eine weit verbreitete Smart-Contract-Programmiersprache für Ethereum und andere kompatible Blockchain-Plattformen. Solidity ist den Programmiersprachen C++, JavaScript und Python entlehnt und wurde von Christian Reitwiessner, Alex Beregszaszi und Gavin Wood erfunden – alle drei sind, nicht schockierend, Kerle.
Ebenso erfordert ein erfolgreiches NFT-Projekt, dass Künstler*innen, Entwickler*innen und Vermarkter*innen zusammenkommen und auf einer Technologie aufbauen, die sie vielleicht noch nicht beherrschen, womit wir in eine Art Henne-Ei-Problem geraten.
Repräsentation in NFTs
Trotz der Hindernisse bieten NFTs einen unterhaltsamen, ansprechenden und Community-orientierten Anreiz, der bereits mehr Frauen* dazu motiviert, in Krypto einzusteigen.
Nimm Tina, eine Schriftstellerin und NFT-Sammlerin aus New York City.
„Das erste NFT-Projekt, von dem ich je gehört habe, war Zed Run“, sagt sie. Ihr Freund interessierte sich für die digitale Plattform für Pferderennen und versuchte, sie für NFTs zu begeistern, aber irgendetwas stimmte nicht.
„Eines Tages saßen wir beim Abendessen und er sagte: ‘Hör mal, das wird sich verrückt anhören. Aber ich habe unserem zukünftigen Kind gerade ein digitales Pferd gekauft. Und dieses digitale Pferd wird für unsere Zukunft bezahlen“, sagt Tina.
Trotz des versprochenen Reichtums war Tina nicht wirklich motiviert, ihr erstes NFT zu kaufen, bis sie von Crypto Coven erfuhr, einem skurrilen und auf Geschichten ausgerichteten generativen NFT-Projekt, das von und für Frauen entwickelt wurde. Die hexenhafte, magische und zauberhafte Qualität der Kunst, der Website und der Menschen in der Krypto Coven-Community machte Spaß – und war ein erfrischender Kontrast zu dem Klischee, das NFTs bereits zu entwickeln begannen, als Tina zum ersten Mal von ihnen erfuhr.
Bevor Crypto Coven sagte sie: „Alles, was ich gesehen habe, war für Typen, die Basketball lieben, und das bin nicht ich. Alle Projekte richteten sich an die Zielgruppe, die am Anfang der Entwicklung stand. Junge Männer in den 20ern, 30ern oder 40ern.“
Um mehr Frauen* ins Web3 zu bringen, braucht es weiterhin VC-Finanzierung
So exklusiv die traditionellen Methoden zur Beschaffung von VC-Geldern auch sind, wir können den Elefanten im Raum nicht ignorieren. Graswurzelinitiativen sind mächtig. Dennoch müssen Web3-Unternehmen noch immer Platz für Frauen* an der Spitze ihrer Unternehmen schaffen, und es muss mehr Möglichkeiten für mehr Frauen* als Geldgeber geben.
Es braucht Zeit und Geld, um etwas Sinnvolles aufzubauen. DAOs und NFTs haben sich zwar als effektive Community-Builder erwiesen, aber viele Frauen* arbeiten in mehreren Jobs, um ihre DAOs wie ein Hobbyprojekt zu betreiben. Es ist leicht, die Nachhaltigkeit dieses Modells in Frage zu stellen und sich zu fragen, ob es sich nicht um dieselbe alte Dynamik handelt, bei der Frauen* für die Hälfte des Lohns doppelt so hart arbeiten.
„Ich habe eigentlich zwei Web2-Jobs“, sagte mir Ke, eine nicht-binäre Anleger*in und Community Builder*in, die die Pronomen she/they (sie/sie) verwendet, im April 2022. Seitdem haben sie eine Vollzeitstelle als Projektmanager*in bei einem Web3-Unternehmen angenommen und auf Panels wie dem Web3 Inclusivity Summit gesprochen.
Der Hustle kann sich auszahlen. Aber er ist auch sehr real. Im April erzählte uns Ke, dass sie an mehreren Web3-Projekten arbeiten, darunter auch am Aufbau einer DAO, während sie gleichzeitig noch ihren Web2-Jobs nachgehen. Die Projekte von Web3-Community-Builder*innen und -Vermarkter*innen laufen ununterbrochen und können laufende Twitter-Spaces, die Verwaltung von Discord- oder Social-Media-Kanälen, das Schreiben von Newslettern oder sogar das Bearbeiten von Video- oder Audioinhalten für Podcasts und YouTube-Kanäle umfassen.
„Ich würde gerne einen Vollzeitjob im Web3 finden, damit ich nicht in 5 Millionen verschiedene Richtungen gehen muss“, sagte Ke im April – und glücklicherweise wurde dieser Wunsch Wirklichkeit.
Krypto könnte eine Chance sein, das Spielfeld zu ebnen – aber nur, wenn wir sie nutzen
Laut den Daten von Blockpit, die die Investitionsgewohnheiten von über 500 Krypto-Anleger*innen analysiert haben, gibt es keine wirkliche Trennung, wenn es um das Verhalten der verschiedenen Geschlechter geht. Die Mehrheit der Frauen (60 %) und Männer (69 %) investieren in Krypto, weil sie es für die Zukunft des Finanzwesens halten, und etwa die Hälfte aller Geschlechter ist an Krypto als Technologie interessiert. Inzwischen investieren 38 % der Frauen und 47 % der Männer in Krypto, um ihr Portfolio zu diversifizieren.
Auch wenn Krypto auf den ersten Blick egalitärer erscheint als TradFi, hält das nicht davon ab, dass unfaire Dynamiken aus früheren Epochen in die Arena durchsickern.
Zum Beispiel verdienen die Frauen in der Blockpit-Studie deutlich weniger als die Männer: Die Hälfte von ihnen hat ein Jahreseinkommen von weniger als 35.000 €, 32 % verdienen weniger als 25.000 € und 16 % weniger als 15.000 €.
Es wären jedoch mehr Daten erforderlich, um den Stand der Gehälter von Frauen und nicht-binären Menschen weltweit zu ermitteln und festzustellen, wie viel verfügbares Einkommen den Geschlechtern nach Begleichung der Rechnungen jeden Monat zur Verfügung steht.
Zeitpunkt zum Handeln – was braucht es, um eine echte Mainstream-Einführung und Geschlechtergerechtigkeit im Web3 zu erreichen?
Wir stehen an einem Scheideweg, meinen mehrere Frauen*, mit denen ich für diesen Artikel gesprochen habe. Entweder wir betrachten diesen Moment als ein leeres Blatt und schaffen eine neue, integrative Internetkultur, oder die Zukunft des Web3 wird von denselben Werten überrollt, die das Silicon Valley und die Tech-Bro-Kultur geschaffen haben, die eine ganze satirische Fernsehserie auf HBO inspiriert haben.
„Das Web3 wurde praktisch von Männern geschaffen“, sagt Annee. „Die Infrastruktur, die wir geerbt haben – von Discord über Twitter bis hin zu Telegram – ich kann es nicht beweisen, aber ich bin mir nicht sicher, ob wir diese Tools gewählt hätten, wenn wir als Frauen die Wahl gehabt hätten.“
Wenn die Krypto-Bros wirklich Milliarden von Menschen dazu bringen wollen, Krypto, nicht-fungible Token (NFTs), digitale Wallets und Blockchain-basierte Finanztools zu nutzen, sollten sie anfangen, sich wie, nun ja, Frauen* zu verhalten, argumentiert Annee.
„Weniger als eine Milliarde sind auf Discord und Twitter zusammen“, sagt sie. „Wenn du mit mehr Leuten reden und mehr Leute in diesen Bereich bringen willst, warum hängst du dann nur in den dunklen Gassen des Internets herum?“
Was es wirklich braucht, damit Krypto zum Mainstream wird, sind also Frauen*. Viele, viele Frauen*. Und die sogenannten „Soft Skills“, die wir mitbringen.
Und wenn Krypto-Unternehmen nicht anfangen, so zu handeln, indem sie ihre nicht-männlichen Angestellten entsprechend entlohnen, bietet Web3 neue Möglichkeiten für Frauen und nicht-binäre Menschen, unsere eigene Finanzierung zu suchen und unsere eigenen Communitys aufzubauen.